Fehlende Rätsel – Roman von Maria Teresa De Donato
Rezension von Elisa Rubini
Es gibt Bücher, die überraschen, weil sie einen ansprechen, selbst wenn sie
von Leben erzählen, die man nie gekannt hat. „Fehlende Rätsel: Verstehen, wer wir sind durch das Leben derer, die vor
uns kamen“ von Maria Teresa De Donato ist eines dieser
Bücher. Es ist nicht nur ein autobiografischer Roman; es ist eine emotionale
und kulturelle Reise zu den Wurzeln einer Familie, zu den Ursprüngen einer
Identität, die Jahrhunderte, historische Ereignisse, Kriege und Wiedergeburten
umfasst.
Wie oft haben Sie sich schon gefragt, wer Sie wirklich sind, woher Ihr
Charakter kommt, Ihre Sturheit oder diese Nostalgie, die Sie manchmal plötzlich
überkommt? Maria Teresa De Donato fand die Antworten, indem sie sich in die
Geschichte ihrer Vorfahren vertiefte, in einer akribischen genealogischen
Forschung, die auch zu einer inneren Entdeckung wurde. Und sie beschloss, diese
mit uns zu teilen und uns zu Teilhabern einer Familiensaga zu machen, die
letztlich von jeder Familie erzählt wird.
Schon auf den ersten Seiten wird einem klar, dass man nicht nur eine
Geschichte liest, sondern eine Erfahrung erlebt. Man taucht ein in
Erinnerungen, Anekdoten und Dokumente, die die Gesichter, Gesten und Schicksale
derer enthüllen, die vor ihr lebten. Jeder Mensch, dem wir zwischen den Zeilen
begegnen, hinterlässt Spuren. Es sind Männer und Frauen, die Invasionen, Armut,
Weltkriegen und sozialem Wandel mit einer Stärke begegneten, die wir vielleicht
nicht mehr zu besitzen glauben.
Bemerkenswert ist die Dankbarkeit der Autorin für jedes einzelne Erbe, das
sie erhalten hat. Sie spricht nicht nur von materiellen Gütern, sondern vor
allem von Traditionen, gewonnenen Erkenntnissen und einem kulturellen und
emotionalen Erbe, das ihr überliefert wurde. Ihre Fähigkeit, selbst in den
schwierigsten Momenten, wie sie das Italien des 20. Jahrhunderts zwischen Land
und Stadt prägten, Liebe und Schönheit zu erkennen, ist beinahe berührend.
Zwei große genealogische Linien verflechten sich in ihrer Geschichte. Auf
der einen Seite der väterliche Zweig, verbunden mit dem Haus Schwaben und
Jahrhunderten europäischer Geschichte. Andererseits verleiht die wahrscheinlich
griechische Herkunft ihrer Mutter dem Buch eine mediterrane, sonnige, fast
poetische Note. Diese Verschmelzung von Kulturen, Erinnerungen und Erfahrungen
wird zu einem Mosaik, das uns nicht nur ein Bild ihrer Familie, sondern auch
einen Einblick in unsere gemeinsame Geschichte vermittelt.
Beim Lesen fühlt man sich unweigerlich in die Vergangenheit zurückversetzt.
Das Mittelalter mit seiner Härte und seinem Charme, die Invasionen der
Barbaren, die Europa neu formten, das 18. und 19. Jahrhundert voller
Veränderungen und Widersprüche. Dann das 20. Jahrhundert mit den beiden
Weltkriegen, die Millionen von Menschen, darunter auch die Eltern der Autorin,
prägten. Alles wird mit Sorgfalt erzählt, ohne zu beschweren, sondern mit der
Feinfühligkeit von jemandem, der weiß, dass jedes Detail ein wichtiger Teil zum
Verständnis des Gesamtbildes ist.
Und was entsteht, ist genau dieses wunderschöne Bild von Menschen und
Situationen, die das Italien der Vergangenheit beschreiben. Das
Kleinstadt-Italien, geprägt von einfachen und authentischen Gesten, und das
Großstadt-Italien, das sich ständig weiterentwickelt. Ein Land, das Hunger und
Leid, aber auch Solidarität, Einfallsreichtum und Widerstandskraft
kennengelernt hat.
Maria Teresa De Donatos Fähigkeit, große Geschichte mit kleinen
Familiengeschichten zu verknüpfen, ist vielleicht die größte Stärke des Buches.
Es gibt nie Rhetorik, nur einen warmen und aufrichtigen Blick, der selbst
denen, die im Schatten geblieben sind, ihre Würde zurückgibt. Sie erzählt nicht
nur, wer ihre Vorfahren waren, sondern regt einen dazu an, über die eigenen
nachzudenken. Sie regt einen dazu an, sich zu fragen, welche Kämpfe sie
ausgefochten, welche Träume sie hatten, welche Wunden sie hinterlassen haben,
ohne dass man es überhaupt bemerkt hat.
Beim Lesen wird einem bewusst, dass unsere Wurzeln keine Last, sondern ein
Schatz sind. Und dass die Kenntnis der Geschichte unserer Vorfahren keine Übung
in Nostalgie, sondern ein Akt der Selbstliebe ist. Denn zu verstehen, woher wir
kommen, hilft uns, besser zu entscheiden, wohin wir gehen.
Die Sprache der Autorin ist warmherzig, einnehmend und doch präzise. Man
spürt die Sorgfalt, mit der sie nach Dokumenten, Zeugnissen und Daten gesucht
hat. Und man spürt noch deutlicher, mit welchem Herz sie sie interpretiert
hat. Jede Seite ist erfüllt von Dankbarkeit und Respekt. Auch für eine
Vergangenheit, die ihr, so schwierig sie auch war, ermöglicht hat, die Person
zu sein, die sie heute ist.
Für alle, die es gewohnt sind, in Eile zu leben und nur an die Gegenwart
oder die Zukunft zu denken, ist dieses Buch eine notwendige Pause. Eine
Einladung, zurückzublicken, aber nicht mit Bedauern. Mit Dankbarkeit. Um zu
verstehen, dass jeder Schritt, den man macht, durch diejenigen ermöglicht wird,
die vor einem kamen. Durch diejenigen, die für einen gelitten, geliebt,
gekämpft und gehofft haben, vielleicht sogar unwissentlich.
Das vielleicht Beeindruckendste an diesem Buch ist seine Fähigkeit, eine
emotionale Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Es gibt
einem das Gefühl, Teil einer größeren Geschichte zu sein, die über das eigene
kleine Ich hinausgeht. Eine Geschichte, in der jeder ein unverzichtbares Glied
in einer langen Kette ist.
Und es ist kein Zufall, dass der Titel „Fehlende Rätsel“ lautet. Denn viele von uns leben, ohne zu erkennen,
dass wir das Ergebnis einer wunderbaren Verflechtung sind, die aus Tausenden
von Leben besteht, die unser Leben erst möglich gemacht haben. Und solange wir
nicht nach diesen Gliedern suchen, bleibt die Kette unvollständig.
Lesen hinterlässt ein Gefühl der Erfüllung und des Friedens. Es weckt den
Wunsch, neben Mutter oder Vater zu sitzen oder den älteren Verwandten
anzurufen, von dem man schon lange nichts mehr gehört hat, und sich Geschichten
erzählen zu lassen. Alte Briefe, Familienerinnerungen, überlieferte Rezepte
wiederzuentdecken. Denn in diesen kleinen Dingen liegt die Antwort auf die
große Frage: Wer bin ich wirklich?
Wenn Sie ein Buch suchen, das über die Oberfläche hinausgeht, Ihre Seele
berührt und Ihnen hilft, Ihre Wurzeln und Ihre Identität wiederzuentdecken, ist
„Fehlende Rätsel“ die richtige Wahl. Es ist nicht nur die Geschichte
einer Familie, es ist die Geschichte von uns allen. Und vielleicht finden Sie
auf diesen Seiten sogar Ihr eigenes fehlendes Bindeglied.